02.06.2011, 19:54
Spielname: L.A. Noire
Publisher: Rockstar Games
Entwickler: Team Bondi
Release: 20. Mai 2011
Altersfreigabe: ab 16 (USK)
Uncut: Ja
Genre: Action / Adventure
Spieler: 1
Sprache/Texte: Englisch/Deutsch
Angebot: L.A. Noire (Amazon)
Willkommen in der Stadt der Engel
In vielen Ankündigungen las man das Versprechen, dass L.A. Noire der ideale Mix aus Heavy Rain und GTA sei. Warum der neue Rockstar-Titel sich zwar von beiden Spielen inspirieren ließ, aber entgegen vielen Erwartungen dennoch keinem der Hits gerecht wird, werden euch die nächsten Zeilen näher bringen.
Als ehemaliger Soldat Cole Phelps, der im Los Angeles der 40er Jahre eine Polizeikarriere anstrebt, findet man sich zunächst im Streifendienst wieder. Im Laufe des Spiels absolviert ihr aber verschiedene Dezernate, die da wären Verkehr, Mord, Sitte und Brandstiftung. Dabei geht es stets darum einen der insgesamt 21 Story-Fälle aufzuklären. Dabei müsst ihr die typische Polizeiarbeit verrichten, die neben Verhören und Beweissicherung etwa auch aus der Verfolgung von Verdächtigen besteht. Zu Beginn eines jeden Falles fahrt ihr durch die offen zugängliche Stadt. Am Tatort angekommen sucht ihr zunächst nach Beweisen. Viele davon sind sehr offensichtlich und leicht zu finden, andere wiederum erfordern eine gewisse Spürnase. Das Spiel kommt euch dabei jedoch zur Hilfe, indem es ein akustisches Signal von sich gibt und den Controller vibrieren lässt, sobald ihr in der Nähe eines Beweisstücks seid. Für Realitätsfanatiker lassen sich diese Spielhilfen auch abschalten, die Suche nach Beweisen kann sich dann aber als etwas nervig gestalten, da auch viele Sachen herumliegen, die ohne jegliche Relevanz für den Fall sind.
Wer lügt hier ?
Habt ihr einen Beweis gefunden, landet dieser in eurem Notizbuch, das ihr jederzeit zur Hand nehmen könnt. Hier werden übersichtlich alle Fundstücke, wichtige Personen und Orte eingetragen. Ein Kernstück des Gameplays stellen Befragungen dar. Wenn euch eine Person etwas auftischt, habt ihr immer grundsätzlich drei Optionen zur Auswahl. Entweder ihr glaubt der Person, zweifelt ihre Aussage an und bezichtigt sie der Lüge. Wenn ihr jedoch einen Lügner entlarven wollt, müsst ihr dafür einen entsprechenden Beweis aus eurem Notizbuch anführen können, sonst erfahrt ihr von der Person nichts mehr und die Befragung ist vorbei. Dies beeinflusst unter anderem wie der Fall weitergeht und schmälert die Abschlusswertung, die nach Beendigung eine Falles euch eure Leistung zeigt. Dadurch erhält L.A. Noire einen hohen Wiederspielfaktor, da es niemanden auf Anhieb gelingen wird alle Aussagen richtig zu deuten. Scheitern könnt ihr aber nicht, selbst wenn ihr alles falsch deutet, führt euch das Spiel trotzdem noch an die Lösung, dabei verpasst ihr dann aber gewisse Szenen. Als echter Kriminalist fühlt man sich aber zu fast keiner Zeit, dafür sind das Handlungs-Repertoire zu seicht und die geringfügig eingestreuten Rätsel nicht anspruchsvoll genug.
Gesichtsanimationen setzen neuen Maßstab
Bei der Präsentation der Befragungen lässt der Titel seine Muskeln spielen. Die Gesichtsanimationen stellen alles bisher Bekannte deutlich in den Schatten. Niemals zuvor erschien die menschliche Mimik in einem Videospiel derart lebensecht. Kleine Ruckler während des Übergags der Mimik sind dabei zu verschmerzen. Die Mimik ist aber nicht nur hübsches Beiwerk, denn in den Gesichtern müsst ihr auch ablesen ob eine Person die Wahrheit sagt. Schaut sie etwa hilfesuchend zur Seite, darf man davon ausgehen, dass sie schwindelt. Leider wird diese tolle Darstellung von einer fehlerhaften Logik beeinträchtigt. Denn zahlreiche Beweise würden in der realen Welt niemals zu einer Überführung des Täters führen, da das Spiel andere Möglichkeiten außer Betracht lässt. Dann wiederum erkennt die Spiel-Logik nicht, dass sich manche Dinge indirekt aus Beweisen ergeben und lässt euch dann scheitern - Frustgefahr. Hier hätte Team Bondi bei der Entwicklung durchdachter vorgehen müssen, da sich diese Fehler nicht per Patch beheben lassen. Bei der Auswahl der richtigen Antwort stehen euch zwei Hilfen zur Verfügung, die man sich offenbar von „Wer wird Millonär“ abgeschaut hat. So lässt sich eine falsche Antwort streichen und eine Statistik einblenden, wieviele Leute der Online-Community für die jeweilige Antwort gestimmt haben.
Und Action !
Abseits der ruhigen Phasen bei einem Fall, gibt es auch immer wieder Action-Szenen zu meistern. Diese bestehen etwa aus Verfolgungsjagden zu Fuß oder per Auto, Schießereien und Prügeleien. Gerade die Verfolgung zu Fuß wird aber mit der Zeit nervig. Rücksetzpunkte sind stets fair verteilt, sodass ihr nie längere Passagen erneut spielen müsst, falls ihr mal obgleich des eher niedrigen Schwierigkeitsgrades scheitert. Vorbildlich ist die Hilfestellung im gesamten Spiel. Partner geben etwa Hinweise, wenn ihr nicht weiterkommt und ihr habt nie das Gefühl überfordert zu sein. Mitunter eintönige Fahrten zum Tatort lassen sich zudem bequem überspringen, indem euer Partner sich hinters Lenkrad klemmt.
Neben den Fällen gibt es insgesamt 40 Straßenmissionen zu bewältigen, die euch jederzeit über Funk erreichen können. Diese bestehen ausschließlich aus Action-Szenen, sind toll inszeniert, dafür aber mit knapp 3 Minuten Länge auch sehr kurz gehalten. Die Steuerung der Fahrzeuge ist besser als in GTA IV geraten, zu Fuß lässt sie aber etwas zu wünschen übrig und inbesondere der Umgang mit Waffen ist sperrig.
Die schier unendliche Freiheit eines GTA wird auch bei weitem nicht erreicht. In der wunderschön authentisch gestalteten Stadt könnt ihr zwar frei herumfahren, aber wirklich motivierende Nebentätigkeiten gibt es nicht. Es gibt insgesamt 95 Fahrzeuge zu entdecken, 30 Sehenswürdigkeiten und 50 sehr gut versteckte Filmrollen. Dafür lässt sich aber nicht mal neue Kleidung oder Waffen kaufen und auch nicht der nächsten Bar ein Besuch zum Billard abstatten - gähn.
Hollywood lässt grüßen
Grafisch ist L.A. Noire ansprechend gestaltet. Die 40er Jahre werden herausragend präsentiert. Kleidung, Autos, Gebäude, Verhaltensweisen – alles erzeugt ein stimmiges Bild. Die Detailschärfe ist dabei deutlich höher als in GTA IV und auch die Animationen sind flüssig. Fließende Tag- und Nachtwechsel gibt es leider ebenso wenig wie Wettereffekte. Dazu gesellt sich dafür eine erstklassige Inszenierung mit tollen Zwischensequenzen, die einem Hollywood-Blockbuster würdig sind. Popups oder Clipping-Fehler fallen nicht weiter störend auf, die Farben sind schön satt und die Umgebung wirkt mit teils dichtem Verkehr und Passanten lebensecht.
Einen Abzug gibt es für die fehlende deutsche Synchronisation, denn wer dem Englischen nicht mächtig ist, dem kommen die Untertitel irgendwann an den Ohren heraus. Bei einem GTA zu verschmerzen, aber bei einem dialoglastigen Spiel wie diesem nicht. Nostalgiker werden sich über einen Schwarz-/Weiß Modus freuen, den man optional aktivieren kann. Die Story-Fälle sind übrigens größtenteils echten Verbrechen der damaligen Zeit nachempfunden. Einen Multiplayer oder andere Features bietet das Game leider nicht.
Das Fazit
L.A. Noire hätte ein Meilenstein werden können, ist es aber leider aufgrund einiger dummer Versäumnisse der Entwickler nicht geworden. Dafür gibt es zu viele Logikfehler und zahlreiche langatmige Passagen, die sich oft wiederholen. Auch das brillante Zusammenspiel und die Entscheidungsfreiheit eines Heavy Rain wird nicht erreicht. Trotzdem ist das Spiel ein toller Crime-Thriller mit packender Inszenierung geworden, den es sich zu spielen lohnt. Berücksichtigt man den Hype und die lange Entwicklungszeit von fast 7 Jahren, in der sich Team Bondi den offensichtlichen Schwächen hätte annehmen können, überwiegt aber etwas die Enttäuschung.
Wertung
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+ Tolle Inszenierung
+ 40er Jahre werden sehr schön abgebildet
+ Lange Spielzeit für die Fälle
+ Überragende Gesichtsanimationen
- Zahlreiche Logikfehler
- Viele Handlungs-Abläufe wiederholen sich immer wieder
- Abseits der Fälle herrscht Langeweile
- Keine deutsche Sprachausgabe